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Herr Barth und ich
Herr Barth und ich
Und tschüss!
Vorbereitungen
Sauberkeit
Konsumtisch
Brennen
Aufziehen
Fertig
Vorrat
Medizinische Ambulanz
Betten

„Was willst Du konsumieren?“ hört man im Eingangsbereich des Drogennotdienstes mehr als 100 Mal am Tag. Auch ich hörte diese Frage als ich mich zum Interview mit dem Leiter, Herrn Barth anmeldete. Eine junge Mitarbeiterin brachte mich direkt zu ihm. Vorbei am schockierenden ersten Einblick in den Konsumraum, brachte mich eine junge Mitarbeiterin direkt zu ihm. Mehr als zwei Stunden dauerte mein Gespräch mit ihm, in dem er mir die Fakten und besonderen Erlebnisse über den Alltag im Drogennotdienst erzählte. Herr Barth selbst ist Diplompädagoge und arbeitete anfangs als Streetworker und Drogenberater. Seit 1993 hat er die Hausleitung beim Drogennotdienst übernommen und seit zwölf Jahren die Gesamtleitung. Mittlerweile sind seine Primäraufgaben weniger in der Sozialarbeit, sondern eher administrativ. Dadurch kommt er „viel zu selten mit den Hilfesuchenden in Kontakt“, wie er beschreibt. Was mir über seine Person ganz weit vorne im Kopf geblieben ist, ist, dass er seine ein bis zwei Kannen Kaffee am Tag sehr selbstkritisch betrachtet.

Der Drogennotdienst befindet sich seit 1989 in der Elbestraße, verteilt über 5 Stockwerke. Er bietet drogenabhängigen, hilfesuchenden Menschen eine feste Anlaufstelle. Genauer gesagt bietet der Drogennotdienst einen Konsumraum, ein Kontaktcafé, verschiedene Übernachtungsmöglichkeiten, einen Rauchraum, Schuldenberatung, Medizinische Ambulanz, Substitution und psychosoziale Begleitung. Das Ziel des Drogennotdienstes ist eine offene und transparente Umgangsweise mit dem Thema „Drogen“ und allem was dazu gehört.

Es nehmen viele unterschiedliche Menschen die Hilfe des Drogennotdienstes in Anspruch vom obdachlosen Junkie bis zum unauffällig gekleideten Geschäftsmann. Während den Konsumraum im Erdgeschoss tagtäglich minimum 80 bis 100 Einzelpersonen besuchen, suchen mehr als 100 Personen die Substitution auf. Diese Personen sind nicht identisch mit denen des Konsumraums, da die Substituierten keinen Zutritt zum Konsumraum haben. Die zwölf Tagesruhebetten in den oberen Stockwerken sind jeden Tag fast komplett ausgebucht. Genauso ist es mit den Nachtschlafbetten, die nur für obdachlose Drogenabhängige sind, nicht für Obdachlose im Allgemeinen. Allgemein sind es mehr Männer als Frauen, was mir auch schon während meines Aufenthaltes dort aufgefallen ist. Die meisten sind jedoch zwischen 25 und 40 Jahren alt, keiner unter 20, denn diese Gruppe sucht in der Regel nicht solch einen Drogennotdienst auf. Was mir im Allgemeinen aufgefallen ist, sind die Verhaltensweisen der Junkies vor Ort, wie zum Beispiel ein durchgehendes Zucken in den Gliedern oder verschobene Körperhaltungen. Herr Barth erzählte mir dazu, dass Abhängige Ende 40 häufig altersbedingte Erkrankungen zeigen, welche jedoch schon zehn bis 20 Jahre früher einsetzen. Dazu gehören neben offenen Verletzungen auch Demenz und viele Immunschwächekrankheiten. Herr Barth sagt über die Junkies, die den Drogennotdienst in Anspruch nehmen: „Diese Menschen prägen das Viertel. Es liegt mir sehr am Herzen, dass man sie vom Rotlicht differenziert“.

Der Mittelpunkt für die Kontaktaufnahme ist meistens der Konsumraum. Um einen der zehn Plätze in diesem Raum in Anspruch nehmen zu können, muss man zunächst einmal die „Erklärung zur Nutzung des Konsumraums“ ausfüllen. Darin sind neben den Stammdaten auch Informationen darüber enthalten, was man wie lange und wo konsumiert. Danach wird man mit einer Kopie des Personalausweises in die Datenbank aufgenommen. Ohne Personalausweis kommt man nicht weiter. Auch ist die Volljährigkeit und die Anerkennung und Unterzeichnung der Hausordnung eine Grundlage, um regelmäßig die Angebote des Drogennotdienstes in Anspruch nehmen zu können. Im Konsumraum wird am meisten Heroin intravenös konsumiert. Heroin, weil es warm und beruhigend (sedierend) wirkt und eine Distanz zur Realität bringt. Crack hingegen, die zweithäufigste konsumierte Droge wirkt aufputschend und ist eher eine Leistungsdroge. Bevor die Junkies konsumieren können, melden sie sich am Empfang mit ihrem Namen. Daraufhin müssen sie sagen und zeigen, was sie konsumieren möchten. Es wird die Menge kontrolliert und auch, dass niemand versucht im Gebäude zu dealen. Dies wird nämlich nirgends geduldet. Oftmals entstehen Wartezeiten, die die Abhängigen nervös werden lassen. Am Empfang kann man sich auch für das Leben außerhalb des Notdienstes mit Nadeln, Kondomen etc. versorgen. Jetzt hab ich mich gefragt, wie oft man kommen darf und dann auch wirklich kommt. Hier gibt es keine Einschränkungen, man darf so oft kommen, wie man möchte. Herr Barth konnte mir die Häufigkeit an einem Junkie festmachen, der regelmäßig kommt und viel konsumiert. Wer richtig auf Heroin ist, konsumiert drei bis vier Gramm am Tag. Eine einzelne Dosis besteht aus 0,25 Gramm. Dementsprechend kommen manche Junkies bis zu zwölf Mal am Tag. Ist man erst einmal regelmäßig dort, entsteht schnell der Kontakt zu den Mitarbeitern. Lässt sich der Abhängige darauf ein, wird zunächst einmal die Vertrauensbasis gestärkt und man bekommt seinen eigenen Ansprechpartner. Dieser Ansprechpartner ist sehr wichtig für die Kontinuität und den Rhythmus der Abhängigen. Danach wird immer individuell entschieden, wie man die Hilfe weiter auslegt. Natürlich ist ein drogenfreier und selbständiger Lebensalltag der Drogenabhängigen das angestrebte Ziel. Egal, ob nur mit der Substitutionsbehandlung oder auch der Unterstützung bei Ämtern oder ähnlichem. Aber auch vielen wird bei einer Schuldenberatung intensiv geholfen, denn oftmals reichen ihre Schulden über die 50.000 Euro hinaus. Wenn jemand nach dem Schaffen der Vertrauensbasis trotzdem die anderen Angebote außer dem Konsumraum nicht nutzen möchte, wird das natürlich akzeptiert und dann auch dabei belassen.

Die Mitarbeiter im Drogennotdienst sind meistens Studenten der Sozialarbeit, Psychologie oder Medizin. Auch nach dem Studium führen viele ihre Arbeit dort weiter aus. Jedoch ist eine bestimmte Qualifikation keine Voraussetzung. Trotzdem sollten die Mitarbeiter einige Qualitäten mitbringen, wie zum Beispiel das Bewusstsein mit Menschen arbeiten zu wollen, ein gewisses Fingerspitzengefühl zu haben und sehr aufmerksam sein zu können. Auch sollte man sich bewusst darüber sein, dass man manchmal an seinen Grenzen arbeitet. Selbstbewusstsein und selbstsicheres Auftreten sind die Basis für diese Arbeit. Wichtig ist jedoch auch eine klare und deutliche Kommunikation an den Tag zu legen und seine Meinung richtig rüberbringen zu können. Gearbeitet wird immer im Team, idealerweise geschlechtlich gemischt.

Besonders im Kopf geblieben ist mir die Geschichte einer Dame, die mit ihren 68 Jahren die älteste Frau ist, die di Substitutionsbehandlung in Anspruch nimmt. Sie gehört mittlerweile genauso dazu, wie manche Mitarbeiter auch. Sie wird wohl auch nicht mehr in ein Leben ohne eine solche Behandlung zurückkehren. Da ist es doch schön, dass diese Frau ihr Leben lang einen festen Ansprechpartner hat. Nicht zu vergessen ist für mich die Tatsache, dass es oftmals auch dazu kommen kann, dass eine junge Studentin einen drogenabhängigen „Knacki“ abweist und ihm sagt, dass er hier leider nicht konsumieren kann, weil er ein falsches Verhalten an den Tag legt und dieser ohne zu wiedersprechen sich umdreht und diese Ansage akzeptiert. Alles andere als das, was man in so einer Situation erwartet.

Es lässt sich sagen, dass das Bahnhofsviertel ein zentraler Ort mit einer großen Infrastruktur (Kitas, Schulen, Bahnhof, Supermärkte, …) ist, was den Drogenabhängigen kurze Wege ermöglicht. Jedoch wäre es in Herr Barths Sinn, wenn das Viertel mehr verkehrsberuhigte Bereiche hätte, die Geschwindigkeiten reduziert würden, mehr Grünanlagen gefördert würden und es für alle Menschen dort attraktiver gestaltet werden würde. Denn er sagt „mit Rollator über die Taunusstraße zu gehen ist lebensgefährlich“.

Nach dem Interview führte mich ein Mitarbeiter, der schon seit zwölf Jahren dort tätig ist durch das ganze Haus. So konnte ich mir ein Bild von den ganzen Angeboten machen und sehen, wie vielfältig sich diese Einrichtung engagiert. Die finanzielle Unterstützung der Stadt Frankfurt und des Landes Hessen spielen für diese Vielfalt eine tragende Rolle. Auch wird dies durch die Kassenärztliche Vereinigung Hessen von Krankenkassen und Sozialämtern und das Drogenreferat finanziert. Die Frankfurter Tafel e.V. unterstützt durch Lebensmittelspenden beispielsweise das Tagescafé. Am Ende meines Besuches konnte ich noch einiges Interessantes auf Bildern festhalten. Dafür musste ich jedoch ein bisschen Zeit mitbringen, da es oftmals nicht möglich war zu fotografieren ohne Personen darauf abzulichten, die nicht damit einverstanden waren. Alles in allem war es für mich ein sehr interessanter Aufenthalt mit vielen neuen Eindrücken.

 

Anna

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