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Bad im Diakoniezentrum
Bad im Diakoniezentrum
Computer im Tagestreff
Diakoniezentrum Tagestreff
Duschmöglichkeiten im Diakoniezentrum
Essensausgabe im Diakoniezentrum
Klamottenausgabe im Diakoniezentrum
Klamottenausgabe im Tagestreff
Küche im Diakoniezentrum
Lesemöglichkeiten im Diakoniezentrum
Schlanfmöglichkeiten im Diakoniezentrum
Spielen im Diakoniezentrum
Tagestreff im Diakoniezentrum

Erstes Treffen

Ich hatte ein Treffen mit Volker Landgraf, ein Angestellter des Diakoniezentrums in der Weser5. Er hat mir erzählt, dass er unsere Seite sehr spannend findet und dass das Diakoniezentrum in so einer Website nicht fehlen sollte. Das Diakoniezentrum bietet verschiedene Hilfen an, Soziale Beratungsstellen, Straßensozialarbeit, Tagestreff, Notübernachtungen und Übergangswohnhäuser. In den Notübernachtungen dürfen Betroffene bis zu zehn Tage übernachten. In den Übergangswohnhäusern dürfen Sie bis zu zwei Jahre bleiben. Die Betroffenen werden von anderen sozialen Einrichtungen, von Jobcenter, von Krankenhäusern oder durch Rat von anderen Betroffenen in das Diakoniezentrum vermittelt. Der Tagestreffpunkt bietet den Betroffenen Essen, Schlafmöglichkeiten, Internet, Ruhe und Wärme an. Auch Schließfächer für ihr Hab und Gut, Postfächer und Duschmöglichkeiten bieten den Betroffenen Hilfe. Die meisten Ehrenamtlichen sind selbst früher Betroffene gewesen, erzählt Herr Landgraf, diese finden meistens woanders keinen Job und/oder merken, dass es ihnen selbst auch gut tut, in dieser Einrichtung mit zu helfen. Nach dem kurzen Gespräch liefen wir zum Tagestreff in der Weißfrauenkirche und ich musste erstmal schlucken, als wir die Einrichtung betraten. Viele Migranten, dürftige Klamotten, eine stickige Luft und traurige Gesichter. Die Einrichtung war sauber, keine Frage. Aber bei so vielen Menschen, die wahrscheinlich alle die Nacht auf der Straße verbracht haben, ist der unangenehme Geruch schwer zu vermeiden. Ich sah fast ausschließlich Männer, fast alle waren wahrscheinlich südländischer Abstammung. Ich wurde angestarrt, als wäre ich eine Außerirdische. Es war so ein unangenehmes Gefühl, eine kleine Führung durch die Einrichtung zu machen, als würde ich ein Zoo besuchen. Auch wenn Herr Landgraf mir alles zeigte, die Schlafmöglichkeiten, die Essensausgabe, den Ruheplatz mit Büchern, die PC’s, die Duschen, ich konnte mich nicht ganz konzentrieren. Kurz bevor wir raus gingen, begann es hinter uns lauter zu werden. Es gab scheinbar Stress und ein Betroffener wurde aus der Einrichtung rausgeworfen. Als wir endlich draußen an der frischen Luft waren, stellte ich Herr Landgraf noch ein paar Fragen. Es gab wohl oft Streit, Übergriffe und Komplikationen zwischen den Betroffenen. Es waren fast ausschließlich Männer, dies läge daran, erklärte mir Herr Landgraf, dass die Frauen meistens eine Übernachtungsmöglichkeit finden, einfacher Hilfe erhalten und bei ihren Kindern bleiben. Die meisten Betroffenen seien Bulgaren, Rumänen oder Lampedusa Flüchtlinge. Sie kommen nach Deutschland, um eine Arbeit zu finden und das Geld ihren Familien zu schicken. Allerdings ist es schwer, für Menschen ohne deutsche Sprachkenntnisse eine Arbeit zu finden. In meinen nächsten Treffen werde ich die Einrichtung fotografieren, wenn sie geschlossen hat. Fotos zu machen, während Betroffene drin sitzen, kommt für mich nicht in Frage. Dazu werde ich noch ein Interview mit einem anonymen Ehrenamtlichen und ehemals Betroffenen führen.

Zweites Treffen

Nun sollte mein Interview stattfinden und ich war ganz schön aufgeregt, wer mich da erwartete. Als ich ankam, hat mich ein netter Mitarbeiter in das Tagestreff geführt und ich habe dort die Fotos gemacht, die ihr links ansehen könnt. Dann wurde ich dem Herrn vorgestellt, mit dem ich mein Interview führen sollte. Sie schenkten mir ein Tee ein, wir setzten uns an einen ruhigen Platz und ich begann mit meinen Fragen.

Was hat Sie dazu bewegt, diesem Interview zu zustimmen?

„Ich kenne das schon. Ich habe schon öfters Interviews geführt und mache auch Führungen in der langen Bahnhofsnacht.“

Warum wollen Sie anonym bleiben?

„ Weil ich noch nicht weiß, wie dieses Interview verlaufen wird. Muss auch nicht sein, wenn das jeder lesen kann.“

Wie ist Ihre Vorgeschichte?

„Ich habe mit 12 angefangen, Alkohol zu trinken, mit 16/17 habe ich Haschisch, Kokain und Amphetamin genommen und schließlich mit 27 habe ich mit Heroin angefangen. Irgendwann habe ich mir gedacht, ich habe drei Möglichkeiten: eine Therapie mit Entgiftung, das Gefängnis oder der Tot. Also habe ich mich dazu entschieden, eine Therapie in Mainz zu machen, aber ich wurde rückfällig. Ich bin eigentlich ein sehr ehrgeiziger Mensch, ich habe immer versucht, in der Therapie keine Medikamente zu nehmen. Aber es war immer ein Ritt ins scharfe Messer. Es kommen immer massive psychische Probleme auf, wenn du aufgehört hast. Irgendwann bin ich nach Köln gezogen und habe da eine zweijährige kaufmännische Ausbildung gemacht. Danach kam ich aber wieder an Drogen ran. Das Problem bei einem Drogenabhängigen ist, dass wenn er will, in jeder Stadt innerhalb weniger Minuten durch Blickkontakt erfahren kann, wo er Drogen her bekommt. Ich bin nach Frankfurt gezogen, um aus Mainz weg zu kommen. Die Stadt war einfach zu klein für mich und erweckte zu viele schlechte Erinnerungen in mir. Ich habe mir gedacht: Wenn ich es in Frankfurt nicht schaffe, von den Drogen weg zu kommen, dann schaffe ich es nie.“

Wie kamen Sie in diese Einrichtung?

„Nach Jahren wurde ich durch einen Freund in diese Einrichtung vermittelt. Ich bin jetzt seit 12 Jahren hier und mittlerweile rauche ich nur ab und zu Marihuana. Ich bin Rentner und verdiene ungefähr so viel, wie ein Hartz 4 Empfänger. Hier bekomme ich Essen und Trinken, hier habe ich Leute um mich herum, die mich unterstützen und bei Problemen helfen, hier fühle ich mich wohl.“

Wie viele Ehrenamtliche sind ehemals Betroffene?

„Wir haben hier ca 70% Ehrenamtliche, die selbst ehemals Betroffene waren. Aber eigentlich bringt jeder sein Anteil mit. Jeder hatte mal was mit Drogen am Hut, hat Hilfe benötigt oder hat in seinem Umkreis Leute, die sie stark beeinflusst haben. Wir haben eigentlich keine Arbeiter hier, die in ihrem Leben gar nichts mit dem Thema zu tun hatten.“

Hassen Sie auch manchmal Ihre Arbeit? Was finden Sie unangenehm / nervig?

„Hassen tu ich an meiner Arbeit nichts! Es gibt aber Sachen, die ich unangenehm finde: ungepflegte Menschen oder Sachen, die man nicht sehen möchte. Nervig finde ich auch den grenzwertigen Umgang der Betroffenen mit uns. Sie erwarten sehr viel Respekt, aber geben nicht viel zurück. Wir haben hier Leute, die sich über die Regeln beschweren. Dabei haben wir fast keine Richtlinien. Aber ein bisschen Ordnung muss sein, sonst verliert man den Überblick. Viele Betroffene erwarten auch, dass sie das Essen umsonst bekommen, aber das geht nicht. Es gibt nunmal nichts umsonst, dass wissen sie.“

Was möchten Sie den Betroffenen mitgeben? Wie ermutigen Sie sie, wie helfen Sie ihnen, weiter zu kämpfen?

„Die meisten Betroffenen wollen die Hilfe gar nicht annehmen. Sie kommen nur in Notsituationen, wenn sie keinen anderen Ausweg mehr sehen und dann lassen sich sich wunderbar helfen. Aber sobald diese Notsituation vorüber ist, verfallen sie wieder in alte Gewohnheiten. Sie machen nichts dagegen! Sie sind Perspektivlos, ungepflegt und es ist ihnen eigentlich alles völlig egal. Es gibt auch viele junge Leute zwischen ihnen, 21/22 Jahre alt. Man versucht, sie zu provozieren, sie anzustacheln aber es bringt nichts. Wir versuchen wirklich alles, was in unserer Macht steht, aber wenn sich der Mensch nicht selbst ändern will, kann ihm auch keiner helfen. Es gibt auch Betroffene, die jeden Tag hier sind, die man besser kennt, als andere und zu denen man eine engere Beziehung hat. Es gibt Leute, da guck ich jeden Tag, ob sie auch wieder da sind, ob es ihnen gut geht. Und wenn mal jemand fehlt, fragen wir nach, wo er ist, ob jemand was von ihm gehört hat. Es gibt auch Leute, die nur noch ab und zu kommen und sich wieder besser fühlen. Sie kommen dann alle zwei Wochen, um zu zeigen dass es ihnen gut geht und weil sie den Kontakt nicht abbrechen wollen. Und das freut einen natürlich.“

Wie denken Sie über ihr eigenes Leben? Sind Sie jetzt glücklich?

„Ich bin grundsätzlich froh, dass ich hier sitze. Ich helfe, ich lebe und ich bin zufrieden. Ich lebe an der Existenzgrenze, aber ich lebe. Und ich bin froh, dass ich es bis hier her geschafft habe.“

Wie gefällt Ihnen das Bahnhofsviertel?

„Es ist ein riesen Reiz für mich. Es ist schließlich ein Schmelztiegel, wo alles ineinander geht. Kennen Sie dieses Gefühl, wenn man am Flughafen ist? Dieses ganz spezielle Gefühle empfinde ich auch hier im Bahnhofsviertel.“

Es geht oft das Gerücht rum, dass man hier im Bahnhofsviertel auf der Straße durch Spenden von Passanten mehr Geld macht, als ein Arbeiter. Stimmt das?

„Nein, dass kann ich mir nicht vorstellen. Ich habe noch nie gebettelt, dazu hatte ich zu viel Stolz. Dann habe ich lieber Flaschen gesammelt oder versucht, irgendwie anders um die Runden zu kommen. Die allerwenigsten betteln.“

Wie empfehlen Sie den Menschen da draußen, Betroffenen zu helfen? Soll man ihnen Geld in die Hand geben, oder geht das ganze Geld für Drogen weg?

„Bettlerbanden kriegen von mir nichts. Eigentlich niemand. Ich hatte mal einen Freund da, der immer einem eine Zigarette umsonst gegeben hat und irgendwann habe ich gesagt: Nein, soll er sich seine eigenen Zigaretten kaufen. Manche hier werden auch aggressiv, sie wollen das Essen umsonst. Aber das gibt es nicht.“

Was würden Sie einem Drogenabhängigen empfehlen?

„Sofort in die Therapie gehen. An alle, die aufhören wollen. Ich weiß, es tut sehr weh und es ist eine höllisch schlimme Zeit, aber sie sollen ehrlich zu sich selbst sein und es durchziehen. Sie sollen konsequent sein und endlich versuchen, etwas aus ihrem Leben zu machen.“

Es war ein sehr interessantes Interview! Ich bedanke mich bei meinem Interviewer für seine Zeit und bei Herr Landgraf für seine Hilfe.    – Müge

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